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Problem IX: Warum haben Hurenkinder das allermeiste Glück?

John Donne, 11.04.2017

Vielleicht, weil das Glück selbst eine Hure ist? Doch eine solche geht beileibe nicht so sanft und nachsichtig mit ihren Sprösslingen um. Der alte natürliche Beweisgrund (dass das Beutemachen in verbotn’er Liebe ein ungestümes Vorgehen sei und deshalb mehr Geist beisteuere als bequemer und gesetzlich zugelassener Eheverkehr) mag mich leiten, doch wenn ich mich heute umschaue, sehe ich die Mätressen häuslich und sittsam werden; und sie und die Ehefrauen warten abwechselnd, bis man sie auffordert, dann sagen alle beide Ja, als lebten sie auf der Arche des Noah. Der alte sittliche Beweisgrund (dass die Hurenkinder die Verkommenheit ihrer Eltern erben und deshalb schon mit reichlich Vorrat begünstigt sind, wohingegen die anderen vom erbärmlich armseligen der Erbsünde allein zehren müssen) möcht’ bei mir die Oberhand gewinnen, aber da wir alle in Zeiten geworfen sind, wie sie heute nun einmal herrschen, so mag die Welt uns den Teufel ersparen, denn um verdorben zu sein, bedürfen wir seiner nicht; denn ich sehe Menschen, die drauf pfeifen, dass man ihre Lasterhaftigkeit zum Exempel macht oder die es verschmähen, sich von anderen zu ihrer Verdammnis verpflichten zu lassen. Weil die Gesetze sie der Erbfolge und der bürgerlichen Vorrechte beraubt, scheint es nur vernünftig, dass man ihnen dies ebenso vergilt, wie es die Natur tut, die schließlich die Vaterschaft der Gesetze inne hat, die den Weibern die Treue zu je Einem verweigert hat, sie dafür aber listig so geschaffen, dass sie Viele verlocke, weshalb den Hurenkindern eben de jure auch mehr Schlauheit und Geschick zukommt. Aber (ganz abgesehen davon, dass uns die Erfahrung lehrt, dass es auch unter ihnen nicht wenige Narren gibt), wollen wir doch einen ihrer hauptsächlichsten Beistände hinzuziehen, soll es uns denn angelegen sein, ihnen den Titel Narr abzusprechen. Und dieser (der einzige der noch geblieben ist) lautet, dass Weiber gemeinhin würdigere Männer wählen, als es ihre Ehegatten sind; und das nun ist de facto falsch. Entweder hat also die Kirche sie aus allen öffentlichen Ämtern des Dienstes an Gott enthoben, worauf sie nun bess’re Mittel sich suchen müssen, verdorben und auf diesem Wege Glückskinder zu werden, oder Teufel und Fürsten, die zwei Großmächte der Welt, treffen sich in eben dieser ihrer Großmächtigkeit – der eine macht den Bastard, der andere bescheinigt die Abkunft, so wie selbst die Natur große Gegensätze in Körper fasst und dort aufbehält. Oder vielleicht will’s auch der Zufall, und es ist deshalb so bestellt, weil sich so viele von ihnen auf den Gerichtshöfen herumtreiben, der Schmiede, wo gar manches Vermögen gepimpert wird, oder zumindest der Verschlag, wo man es feilbietet.

 

Übersetzung: Andreas L. Hofbauer

John Donne’s Paradoxes and Problems

»Only in obedience I send you some of my Paradoxes. I love you and myself and them too well to send them willingly, for they carry with them a confession of their lightness and your trouble and my shame. But indeed they were made rather to deceive time than her daughter Truth—although they have been written in an age when anything is strong enough to overthrow her. If they make you to find better reasons against them, they do their office: for they are but swaggerers, quiet enough if you resist them. If perchance they be pretty gilt, that is their best, for they are not hatched.
They are rather alarms, to truth to arm her than enemies, and they have only this advantage to scape from being called ill things, that they are nothings. Therefore take heed of allowing any of them, lest you make another.«

John Donne in a letter possibly to Sir Henry Wotton (1600).

Paradox I: That all things kill themselves

John Donne, 11.04.2017

To affect yea to effect their owne deaths, all living are importun’d. Not by Nature only which perfects them, but by Art and education which perfects her. Plants quickned and inhabited by the most unworthy Soule, which therfore neyther will, nor worke, affect an end, a perfection, a Death. This they spend their Spirits to attaine; this attained, they languish and wither. And by how much more they are by Mans industry warm’d, and cherisht, and pamper’d, so much the more early they climbe to this perfection, this Deathe. And yf between men, not to defend be to kill, what a heinous selfe murder is it, not to defend it selfe? This defence, because beasts neglect, they kill themselves: because they exceede us in number, strength, and lawles liberty. Yea, of horses; and so of other beasts, they which inherit most courage by beeing bred of galantest parents, and by artificiall nursing are bettered, will run to their own Deathes, neyther sollicited by spurrs, which they neede not, nor by honor which they apprehend not. If then the valiant kill himselfe, who can excuse the coward? Or how shall man be free from this, since the first man taught us this? Except we cannot kill our selves because he kill’d us all. Yet least some thing should repaire this common ruine, we kill dayly our bodyes with Surfets, and our Minds with anguishes. Of our Powers, remembring kills our Memory. Of affections, Lusting our Lust. Of Vertues, giving kills Liberality. And if these things kill themselves, they do it in ther best and supreme perfection: for after perfection immediatly followes exces: which changes the natures and the names, and makes them not the same things. If then the best things kill themselves soonest (for no perfection indures) and all things labor to this perfection, all travaile to ther owne Death: Yea the frame of the whole World (yf it weare possible for God to be idle) yet because it begun must dye: Then in this idlenes imagind in God, what could kill the world, but it selfe, since out of it nothing is.

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