Welche Auswirkungen hat ein einseitiger Medienwechsel in der Diplomatie – wenn also die eine Regierung einen Botschafter entsendet, während die andere ihre Position mit dem Telegraphen koordiniert? Wie vermögen mediale Architekturen Räume so zu gestalten, dass der politische Körper des gastgebenden Herrschers allmächtig ist, jener des einziehenden Gesandten aber eine Herabsetzung erfährt? Und wie ist es möglich, dass ein Botschafter ohne permanente Rückkopplung mit seiner Regierung verantwortlich verhandeln kann? Im Fokus der Mediengeschichte der Diplomatie stehen nicht die bei diplomatischen Verhandlungen besprochenen Inhalte, sondern die Medien und Kulturtechniken, welche die Kanäle zwischen den Diplomaten und Staaten stellten.
Die Studie setzt ein mit dem Beginn der modernen Diplomatie im Europa der neuzeitlichen Staatenbildung und endet mit der einsetzenden professionellen, routinierten und bürokratischen Diplomatie, die sich zu einer zentralen Regierungsaufgabe entwickelt. Ihre Etappen sind: eine abgeschiedene Insel mit blitzschneller Kommunikation (Shakespeare, Der Sturm), Zeremonien im Audienzsaal und in der höfischen Kanzlei, eine Prachttreppe und Gartenfeste in Versailles, eine alles entscheidende Stunde in Böhmen (Schiller, Wallenstein), Tanz, Statistik und Spionage in Wien sowie die Emser Depesche des Jahres 1870.