Die Figur der Antigone ist längst zum Sinnbild subjektiv-individuellen Aufbegehrens gegen staatliche, politische oder patriarchale Herrschaftsstrukturen geworden. Antigones Beharren, ihren Bruder Polyneikes gegen den Willen und das Dekret Kreons zu begraben, darin ihren »andersartigen« Gesetzen zu folgen und für diese mit ihrem eigenen Leben einzustehen, bilden seit Sophokles den Ausgangspunkt zahlreicher künstlerischer, literarischer und theoretischer Auseinandersetzungen.
In der psychoanalytischen Deutung nimmt Antigone spätestens seit Lacan eine ebenso wichtige Rolle ein wie ihr Vater Ödipus, dessen Schicksal und Unglück sich in ihr und ihrer Familie fortsetzen. In Antigones Parallaxe untersucht Alenka Zupančič Antigones Figur und Geschichte erneut aus psychoanalytischer Sicht: Worin liegen die Gewalt und Anziehungskraft von Antigones Begehren und was zeichnet dessen einzigartige individuelle Struktur aus? Wie und wo lässt sich darin ein Weg zwischen Widerstand und Terror entdecken? Inwiefern eröffnet die spezifische Dimension des unbegrabenen, untoten Körpers einen Horizont auf ein universelles Untotes im menschlichen Leben, auf alternative Zukünfte und ein Mehr-Genießen, ein Mehr-als-Lebendiges, ein Mehr-Reales, das das einzelne Subjekt und sein Begehren übersteigt?