»Pläne helfen nicht, die geplante Zukunft zu realisieren«
Im Gespräch mit Elena Esposito und Nora Schultz
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Susanne Witzgall [SW] Elena, in deinem Beitrag Realität der Zukunft und künftige Realität hast du auf zwei unterschiedliche Praktiken hingewiesen, mit der Zukunft umzugehen: Praktiken, die man heute anwendet, um eine gegenwärtige Zukunft zu bestimmen oder sich gegen sie abzusichern, und die gerade dadurch die Komplexität und Unvorhersehbarkeit der realen Zukunft, ihre Kontingenzen, eventuell sogar erhöhen, sowie Praktiken, die Möglichkeiten produzieren, die künftige Möglichkeiten möglich machen. Vielleicht könntest du diesen interessanten Gegensatz weiter erläutern?
Elena Esposito [EE] Wenn wir etwas tun, haben wir meistens die Vorstellung, dass die Zukunft irgendwie schon feststeht. Also versuchen wir, so gut wir können, uns an die Zukunft anzupassen. Dafür haben wir Instrumente. Du hast Wahrscheinlichkeitskalkulationen erwähnt, die uns angeblich helfen, uns besser an diese schon entschiedene, schon feststehende Zukunft anzupassen. Das ist gar nicht realistisch, weil es keine feststehende Zukunft gibt. Genauso unrealistisch ist die Vorstellung, dass etwas in der Welt mit 40-prozentiger oder 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit passieren wird. Niklas Luhmann hat hierauf bereits hingewiesen. Die Realität, wenn sie eintritt, ist nie zu 40 oder 70 Prozent realisiert. Sie ist entweder Null oder Eins. Und sie ist das Produkt der heutigen Planung. Die Pläne, die wir haben, um diese Zukunft, so gut wir können, vorauszusagen, sind eigentlich, wie du gesagt hast, ein Element der Unsicherheit, weil die Pläne die Kontingenz und die Vorhersehbarkeit der Zukunft erhöhen. Denn die Zukunft besteht aus all den Informationen, die wir haben, plus den Plänen, die wir haben, die Zukunft zu realisieren. Das heißt, die Pläne helfen nicht, die geplante Zukunft zu realisieren, genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb fand ich das, was du, Nora, in deinem Vortrag gesagt hast, besonders faszinierend. Ich habe deine Darstellung so verstanden, dass du versuchst, auch in der Produktion von Kunstwerken den Sinn des Kunstwerks rückwärts zu interpretieren. Du hast ja von Rückwärtsproduktion gesprochen. Wenn ich es nicht falsch verstanden habe, ist die Idee, dass du den wirklichen Sinn der ästhetischen, der künstlerischen Werke, in denen du agierst, konsequent im Nachhinein feststellst. Das ist ein Performance-Aspekt. Wenn das stimmt, ist das ein sehr, sehr gutes Beispiel von einer viel komplexeren und viel interessanteren Art, mit der Zukunft umzugehen. Die Zukunft ist von deiner Kunst nicht vorbestimmt, aber von ihr produziert. Nicht weil du im Voraus weißt, was du produzieren willst, sondern weil sie das Produkt deiner Handlung ist. Sie ist nicht einfach von selbst entstanden, sie ist nicht zufällig, nicht arbiträr. Aber gerade deshalb kannst...
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Der gegenwärtige Blick in die Zukunft scheint vor allem von Resignation und Ängsten geprägt zu sein. Der berechtigte Vorbehalt gegenüber utopischen Zukunftsvisionen und die Krisenhaftigkeit der Gegenwart führen zu nostalgischen Rückbezügen auf scheinbar Bewährtes. Der Band untersucht unser gegenwärtiges Verhältnis zur Zukunft und fragt, welche Wege Künstler_innen und Wissenschaftler_innen heute verfolgen, um neue Handlungsspielräume für die Gestaltung alternativer Zukünfte zu eröffnen. Wie schaffen sie es jenseits modernistischer Idealvorstellungen und romantischer Projektionen in ferne Zeiten, Potentiale für einen Wandel und für eine Imagination möglicher Zukünfte zu gewinnen?