Hans-Georg Soeffner unterscheidet in seinem Beitrag zwei Ebenen von Ästhetisierung. Während Max Weber in seiner Kritik am »Ästhetentum« »intellektualistischer Zeitalter« eine Ästhetisierung auf der Ebene des durch soziale Praktiken vermittelten kognitiven Weltbezugs konstatiert, versucht Soeffner am Beispiel von Plessners philosophischer Anthropologie, einen Akt der Ästhetisierung auf einer proto-sozialen Ebene zu denken: auf der Ebene einer »ursprünglichen Begegnung« mit der Welt, wo der Mensch im Zuge einer präreflexiven Verstehensleistung die offene Potenzialität entfaltet, die in der Synästhesie der menschlichen Wahrnehmung angelegt ist.
Ilka Brombach (ed.), Dirk Setton (ed.), Cornelia Temesvári (ed.)
»Ästhetisierung«
Der Streit um das Ästhetische in Politik, Religion und Erkenntnis
Softcover, 224 pages
PDF, 224 pages
»Ästhetisierung« lautet das Schlagwort eines Kritikgenres des 20. Jahrhunderts, das die Grenzen zwischen dem Ästhetischen und Nichtästhetischen in polemischer Absicht vermessen hatte: Von Benjamins Diagnose einer »Ästhetisierung des politischen Lebens« über Debords »Gesellschaft des Spektakels« bis hin zu den verschiedenen Spielarten der Postmodernekritik ging es darum, dominante Momente des Ästhetischen auszumachen, welche die Bereiche der Politik, der Erkenntnis oder der Religion in eine Krise ihrer Normativität stürzen.
Zunehmend lässt sich nun eine gegenläufige Tendenz beobachten: Teile der Geistes-, Geschichts- und Kulturwissenschaften behaupten eine konstitutive Funktion des Ästhetischen für politische, epistemische und religiöse Praktiken. Statt im Ästhetischen einen externen Stör- und Krisenfaktor zu sehen, wird es nun entweder als wesentlich für das Gelingen oder Funktionieren dieser Praktiken akzentuiert oder als Schlüsselbegriff betrachtet, um die Begriffe des Wissens, des Politischen und Religiösen einer grundlegenden Revision zu unterziehen.