J.G. Ballards selbsterklärter »Unbescheidener Vorschlag« zu einer globalen Kriegsallianz, um Amerikas Zerstörung zu betreiben, demonstriert nicht nur die provokative Leidenschaft seiner letzten Romanprojekte, sondern auch ihre bleibende prophetische Kraft. In den Notizheften zu World Versus America unterstreicht Ballard mehrmals, dass es ihm mit seinen Sorgen und Visionen bitter ernst ist.
Die Ballard-Erben haben ihr Einverständnis dazu verweigert, Seiten aus den Notizheften zu World Versus America im Rahmen dieses Essays abzudrucken. Dennoch hat jeder Interessierte ohne Weiteres die Möglichkeit, die kompletten Notizhefte in der frei zugänglichen Manuskriptsammlung der British Library einzusehen.
Die Visionen, die J.G. Ballard in seinem Schreiben unablässig beschäftigten, schwächten sich ganz am Ende seines Schaffens nicht ab, sondern rückten umso schärfer und dringlicher in den Vordergrund. Von dieser fortgesetzten Beschäftigung hat sich ein unschätzbares archivarisches Überbleibsel in Form mehrerer Notizhefte (von Ballards Archivar Chris Beckett um 2005/06 datiert) erhalten, in denen die Umrisse eines potentiellen neuen Romans skizziert werden. Der Titel: World Versus America. Diese Notizhefte ermöglichen erstaunliche Einsichten in die Arbeitsweise des späten Ballard. In ihnen zeigt sich, wie er sein Werk gleichsam schürte und vorantrieb und offensichtlich unbeeindruckt war von der Furore, die es im Fall einer Veröffentlichung womöglich entfachte. Darüber hinaus sind die Notizhefte sehr eigene visuelle Artefakte, in denen Ballards visuelle Collagen und experimentelle künstlerische Arbeiten aus der Zeit der späten 1950er bis zu den frühen 1970er Jahren nachhallen (namentlich diejenigen, die für das Magazin Ambit entstanden).
Im Zusammenhang mit den World Versus America-Notizen liegt vieles im Dunkeln. Weder lässt sich mit Sicherheit sagen, wann genau Ballard an ihnen arbeitete, noch ob er beabsichtigte, das akkurat skizzierte Projekt zu vollenden und zu veröffentlichen (allerdings heißt es in den Notizheften ausdrücklich, dass er mit dem Gedanken spielte, das Projekt zu einem Film auszuarbeiten). Wir wissen auch nicht, ob Ballard in der Zeit nach seinem letzten Roman Kingdom Come noch an weiteren literarischen Projekten arbeitete (ein Entwurf bzw. eine Grundidee findet in den World Versus America-Notizheften Erwähnung). Mit Sicherheit aber stellen die Notizhefte zu World Versus America das einzige Projekt aus jener Zeit dar, das im Archiv überdauern konnte. Angesichts all dieser Unbekannten ist jeder Versuch, Ballards World Versus America als sein »letztes« Stück Literatur einzuordnen – oder auch nur als eines, das definitiv zur Publikation bestimmt war –, anmaßend und reine Spekulation. Die Gründe, warum ein Projekt »aufgegeben« wird, sind oftmals vielgestaltig und widersprüchlich. Nichts deutet darauf hin, dass Ballard World Versus...