Der Umgang von Eugène Delacroix (1798–1863) mit seinen Skizzen und Entwurfszeichnungen scheint geradezu manisch: Wie Ralph Ubl in Entwurf und Leben. Eugène Delacroix als Zeichner berichtet, durften auch die Entwürfe zu einem vollendeten Werk Delacroix’ Atelier nicht für längere Zeit verlassen, da der Künstler sie wiederholt und auch im Hinblick auf künftige Werke studierte. Der Entwurf ist im Arbeiten von Delacroix nicht mehr als isolierte Arbeitsphase erkennbar, er wird zeitlich entgrenzt, so dass das Entwerfen mit dem Künstlersein identisch scheint. Doch dient dies bei Delacroix nicht zur Bestätigung eines selbstgewissen Schöpfertums. Zwar löst er das Entwerfen von der Werkintention und transformiert es partiell zu einem selbstbezüglichen Geschehen, das sich dem »Nahraum von Hand, Arm, Blei, Papier und Zeichentisch« verpflichtet. Der motorisch-körperliche Ursprung, auf den die Zeichnung bezogen wird, ist jedoch kein einheitlicher, sondern muss vielmehr als ein verzweigtes und veränderliches Gefüge begriffen werden, das durch das jeweilige Zusammenwirken von Materialien, Instrumenten und Körperteilen ausgeprägt wird. Delacroix entwickelt in dieser Hinsicht Verfahren, um den Nahraum des Zeichnens in das Zeichnen einzutragen. Komplementär dazu entwickelt er Verfahren, um dieses selbstbezügliche Entwerfen mit einer Funktion – dem Werk – zu verflechten. Die Entgrenzung des Entwurfs betrifft aber ebenso das Werk, wenn nicht die Zeichnungdurch Techniken der Skalierung auf die Leinwand übertragen wird, sondern das entwerfende Zeichnenselbst. Mit der doppelten Entgrenzung und der Ausbildung relativer Verfahren hat sich das Entwerfen bei Delacroix unübersehbar von den Kulturtechniken des disegnoim 15. und 16. Jahrhundert entfernt.