Michael F. Zimmermann zeigt in seinem Beitrag, dass man Robert Delaunays Arbeit an den formes circulaires durchaus als Paradigma sehen kann, in derdie Funktionsweise der Wahrnehmung, wie Bergson sie versteht, anschaulich wird, als Interferenz von gegenwärtigem und vergangenem, von aktuellem und virtuellem Bild. In den scheibenförmigen Arbeiten der Jahre 1912–13 verdichten sich der Anblick der Sonne und ihr retinales Nachbild zu einer vibrierenden Formation. In ihr hallen nicht nur diverse Motive aus dem Werk Delaunays nach, sondern auch der Farbenkreis, jenes farbtheoretische Diagramm, das – erstmals von Newton verwandt – den Ganzheitsanspruch zahlreicher Farblehren symbolisiert. In der motivischen Korrespondenz von Sonne/ Nachbild/Farbenkreis wird der Versuch des Künstlers deutlich, die Wahrnehmung selbst zu aktivieren. Denn der gezielte Einsatz des Simultankontrasts, wie ihn Chevreul in seiner Lehre publiziert hatte, verhindert eine endgültige Fixierung des Gesehenen. Stattdessen werden über die verschiedenen Kontrastwirkungen scheinbare Bewegungen erzeugt, bei denen die Wahrnehmung sich selbst in ihren Rhythmen und dynamischen Kräften erfährt. Die schon von den Farbenlehren des 19. Jahrhunderts favorisierte Form des Kreisdiagramms liefert dabei das Grundmuster eines Übergangs vom Kreis zum Kreisen, bei dem man nicht zuletzt an die experimentelle Konstruktion von Farbkreiseln etwa bei Goethe denken mag.