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Ekstase des Nichtauthentischen

Tom McCarthy

Toke My Asymptote – oder: die ekstatische Agonie des Erscheinens

Translated by Sabine Schulz

Published: 04.12.2019

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1.

In seinem epochemachenden Werk Die kommende Gemeinschaft bezirzt, oder beschießt, Giorgio Agamben den Leser mit einer Kaskade von Provokationen, die einesteils kontraintuitiv, aber auch (eben deshalb?) von umwerfender Schlagkraft sind. Insbesondere eine sticht in unserem Zusammenhang heraus. Sie taucht relativ früh auf, im vierten Abschnitt: »Ethik«, heißt es dort, »beginnt erst, wenn […| das Authentische und das Eigen(tlich)e keinen anderen Gehalt haben als das Nichtauthentische und das Uneigentliche.« Dieses Statement trägt dazu bei, die Richtlinien, den Vektor einer neuen Art und Weise zu skizzieren, wie sich Gemeinschaft mit Bezug auf Sprache und Begehren denken lässt; einer Denkweise von Politik und Demokratie in Bezug auf das Außen und das Dazwischen; einer neuen Art, Körper in Bezug auf ihre spektakuläre Vermittlung zu denken; und natürlich, das Selbst oder das Subjekt – das ›Eigene‹ aus der oben zitierten Stelle – zu denken mit Bezug auf alles, was eben angeführt wurde. Das bemerkenswerteste an diesem Statement – und hier kommt das Kontraintuitive ins Spiel – ist jedoch, wie es seine Begriffe entfaltet: Das Nichtauthentische wird nicht etwa vom Authentischen abgesetzt und als dessen Gegenteil (auch wenn es das ist) auf die Kehrseite eines Begriffsrasters geschoben, sondern es wird in das Authentische zurückgeschlungen, hinein in sein Innerstes; mit dem Uneigentlichen, das als der »Gehalt« des Eigen(tlich)en wieder eingeführt wird, geschieht das gleiche. Und dann wird von dieser zurückführenden Schleife, von dieser oxymorontischen Wiederkehr des Ausgestoßenen auch noch behauptet, die Basis und die Möglichkeit von Ethik in sich zu bergen.

Das zwischen mir und der Authentizitätsfrage läuft jetzt schon ein paar Jahre; wir sind alte Sparringspartner – Lieblingsfeinde. Es ist eine belastete, von Paradoxen und Fehldeutungen durchzogene Beziehung. Mein erster Roman Remainder (deutsch: 8 ½ Millionen) handelt von der Obsession des Protagonisten, »real« zu werden, in seinem Zeitalter, seiner Stadt, seinem Wohnhaus, seiner Haut, seinen Bewegungen und Gesten auf direkte, unverstellte, ›authentische‹ Weise heimisch zu sein, eine Obsession, die er bis zum Mord vorantreibt. Das Buch erhielt glänzende Kritiken, es wurde dafür gepriesen, »originell« und »wahr« zu sein. Die Freude darüber wurde etwas getrübt von dem Gefühl, dass etwas daran befremdlich oder nicht ganz sauber war, denn in Wirklichkeit ist Remainder der un-originellste aller Romane, ein Roman über Nicht-Originalität und Simulakren, und er setzt sich zudem einigermaßen offensichtlich aus einer Vielzahl vorgefertigter Tropen und konstruierter Situationen zusammen, die neu aufgenommen und nur geringfügig verändert abgespielt werden. Die Quelltexte reichen von J.G. Ballards Crash über...

  • ethics
  • Jacques Lacan
  • subjectification
  • identity

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Tom McCarthy

Tom McCarthy

is a novelist whose work has been translated into more than twenty languages and adapted for cinema, theatre and radio. He is recipient of the Believer Book Award and the Windham-Campbell Prize for Fiction,an Internationaler Literaturpreis Finalist, and a two-time Booker Prize Finalist. He is also author of the study Tintin and the Secret of Literature, and of the essay collection Typewriters, Bombs, Jellyfish. His novel The Making of Incarnation was published in 2021. Since 2022 he has held the position of Miller Scholar at the Santa Fe Institute New Mexico. Born in Scotland, he is now a Swedish citizen, and lives in Berlin.

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