Ich bin keine besonders ausgeglichene Person. Ich bin fragil und traurig – ähnlich wie es Claude Lévi-Strauss in Traurige Tropen beschreibt. Ich fühle diese beiden Eigenschaften, ich bin mit ihnen aufgewachsen. Bereits in frühesten Kindertagen war ich mir meiner Fragilität bewusst – als Kleinkind, das Laufen lernte, irgendwo in Afrika lebte und bereits wahrnahm, dass dort die Zahl der weißen Menschen verglichen mit der der schwarzen viel geringer war, und dem darüber hinaus auffiel, dass die meisten dieser schwarzen Menschen um mich herum Gärtner oder Hausmädchen waren. Schon in meinen ersten Lebensjahren empfand ich – und ich bin mir ganz sicher, dass ich mich nicht täusche – kein Ungerechtigkeitsgefühl, sondern eine Art Schuld.
Weshalb Schuld? Meine Eltern waren umgängliche Leute, die jeden gut behandelten. Mein Vater war sehr darum bemüht, Sprachen zu erlernen. Er beherrschte mehrere afrikanische Sprachen sehr gut ebenso wie Pidgin-Englisch, das er mit seinen Kindern sprach. Pidgin-Englisch lernte ich beinahe früher als Französisch. Ich kann also behaupten, eine gute Bildung genossen zu haben, und es war mein Glück, dass ich weit entfernt von Frankreich erzogen wurde – auf diese Weise lernte ich unterschiedliche Kulturen kennen und hatte unterschiedliche Nachbarn. Meine ersten Lebensjahre verbrachte ich im muslimischen Teil im Norden Kameruns, wo es keine Kirchen gab, keine Christen, und wo die einzige Religion der Islam war. Mein Vater kam damit gut zurecht, dennoch hielten wir im Garten ein Hausschwein. Das war für unsere Familienessen gedacht, normalerweise aßen wir Hammelfleisch oder Huhn. Statt mich aber stark wie eine Entdeckerin oder eine Reisende zu fühlen, lebte ich zwischen zwei Welten. In der einen Welt war ich glücklich – in jener, die aus den Gegenden bestand, in denen ich aufwuchs: dem Norden Kameruns, dem Süden Kameruns, Djibouti und anderen Orten. Und während der Ferien wohnte ich manchmal für einen oder zwei Monate bei meinen Großeltern in Frankreich, wo ich mir völlig fremd vorkam, obwohl ich bemerkte dorthin zu gehören – wegen meiner Hautfarbe und den Ähnlichkeiten zwischen mir und den Menschen, die mich umgaben. Doch ich registrierte auch kulturelle Differenzen. So gab es dort beispielsweise jeden Tag Käse, woran ich nicht gewöhnt war. Ich wuchs also mit dieser Fragilität und in gewisser Weise auch mit einer Art Traurigkeit auf.
Als ich zum ersten Mal Traurige Tropen las, empfand ich eine sofortige Abneigung gegen Lévi-Strauss. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ihn ja niemand darum gebeten hat, so weit in die Ferne...