Meine langjährige Beschäftigung mit dem Projekt der nomadischen Subjektivität basiert auf einer spezifischen Kartografie unserer globalisierten Zeit, die durch weitreichende, technologisch verursachte Transformationen unserer gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Welten gekennzeichnet ist. Ich gehe davon aus, dass aufgrund dieser Umbrüche traditionelle Formen der Selbstdarstellung, vertraute kulturelle Bezugspunkte und uralte Denkgewohnheiten neu zusammengesetzt werden – allerdings auf widersprüchliche Art und Weise.
Unser geschichtlicher Kontext ist geprägt durch die schizoide Struktur des technologiegetriebenen, fortgeschrittenen Kapitalismus, wie ihn Deleuze und Guattari auf einleuchtende Weise beschrieben haben.
Ein Beispiel für die nichtlineare und immanent widersprüchliche Funktionsweise dieses Systems ist die große Akkumulation von Reichtum begleitet von wachsenden Ungleichheiten des Einkommens, des Wohlergehens und des Zugangs zu genau den Technologien, die unsere Wirtschaft aufrechterhalten. Ein anderes Beispiel ist das Paradoxon einer globalen Ökonomie, die durch ein dichtes Netzwerk aus Kapitalströmen und mobilen Arbeitskräften verbunden ist, welches über verschiedene Formen und Geschwindigkeiten dieser Mobilität, darunter interne und externe Migrationsflüsse, funktioniert. In sozioökonomischer Hinsicht äußert sich dieses System in der sogenannten Flexibilität eines großen Teils der Erwerbstätigen. Befristete und jederzeit kündbare Beschäftigungen, Teilzeit-, Niedrig- und Niedrigstlohnarbeit sind in den meisten fortgeschrittenen, liberalen Ökonomien zur Norm geworden. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind bei Weitem nicht gegen diese Fragmentierung und diesen ausbeuterischen Zugriff gefeit. Diese negative und ausbeuterische Version kapitalistischer Flexibilität führt zur Unterbrechung lebenslanger Karrieren und Berufe und bietet im Gegenzug kaum Kompensation.
Prekäre Arbeitsbedingungen führen zu sozialer Instabilität, zu Bürgerinnen und Bürgern im Zustand des Übergangs, zu provisorischen Behausungen und gewaltsamer Vertreibung. Die Globalisierung stellt die Hegemonie der Nationalstaaten und ihren Anspruch auf exklusive Staatsbürgerschaft infrage, während sie gleichzeitig deren Zugriff auf das Territorium, die kulturelle Identität und die gesellschaftliche Kontrolle verstärkt. Darüber hinaus erzeugt sie eine weltweite politische Ökonomie »zerstreuter Hegemonien«. Der fortgeschrittene Kapitalismus ist eine Überwachungsgesellschaft, die eine an die Annehmlichkeiten des Konsums gekoppelte komplexe politische Ökonomie der Angst installiert. Regiert wird mittels Angst und gesteigerter Sicherheit nicht nur zwischen den geopolitischen Blöcken, die nach dem Ende des Kalten Kriegs entstanden sind, sondern ebenso innerhalb dieser Blöcke. Paradoxerweise werden die alten Machtverhältnisse nicht nur bestätigt, sondern im neuen geopolitischen Kontext sogar auf vielfältige Weise verschärft.
Zentral verankert in den globalen Metropolen, die als Organisationsprinzipien der Hierarchisierung und Verteilung von Wohlstand fungieren, arbeitet die globalisierte Netzwerkgesellschaft mittels kontrollierter Mobilität. Waren und Daten zirkulieren wesentlich freier als menschliche Subjekte oder als Subjekte, die teilweise kaum noch als menschlich wahrgenommen werden und den Großteil der Asylsuchenden und illegalen Bewohner_innen der Welt ausmachen. Eine...