Eine gleichzeitige Entstehung und Störung der politischen Ordnung durch das Wort des Anderen und durch das mit ihm verbundene Verlangen nach Gerechtigkeit ist vielleicht der wesentliche Beitrag Levinas’ zu einem zeitgenössischen Denken des Politischen. Allerdings werden manche Leser auch von bestimmten Aspekten dieses Denkens gestört, die eher an eine sehr traditionelle, männlich geprägte Denkweise über die gesellschaftliche Ordnung erinnert, als dass sie von einer Beunruhigung dieser Ordnung zeugen. So kritisiert Simon Critchley fünf zentrale Begriffe der Levinas’schen Philosophie: Die Brüderlichkeit, die er als eine klassische Figur der politischen Freundschaft zwischen gleichen Männern sieht, den mit ihr verbundenen Monotheismus, den Androzentrismus, die Familie und zuletzt die Verbindung zwischen dem politischen Schicksal der Ethik und dem Staat Israel oder dem republikanischen Frankreich. Critchley möchte dagegen bei Levinas die Möglichkeit der Erfindung einer politischen Entscheidung als Antwort auf das Faktum des Anderen unterstreichen.