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Bernhard Siegert: »Die Sache selbst ist also hier die Schrift«
»Die Sache selbst ist also hier die Schrift«
(p. 165 – 175)

Zur Konstruktion eines medialen Unbewussten in der romantischen Chladni-Rezeption

Bernhard Siegert

»Die Sache selbst ist also hier die Schrift«
Zur Konstruktion eines medialen Unbewussten in der romantischen Chladni-Rezeption

PDF, 11 pages

Die Physiologie, die im 17. Jahrhundert begann, die Seele zu erforschen, entdeckte eine komplizierte Arbeitsweise: An die Stelle einer Empfindung, die dem Sinneseindruck ähnlich war, trat eine mehrstufige Verarbeitung von Reizen, die, in Nervenimpulse umgewandelt, schließlich ins Gehirn angelangen und dort irgendwie zu Vorstellungen werden. Weil der physiologische Vorgang selbst uneinsehbar blieb, wurden die Metaphern, die für die Operationen der Seele einstanden, schon für »die Sache selbst« genommen. Ein Beispiel hierfür sind die Chladni’schen Klangfiguren, die Töne nicht im Code der Notenschrift, sondern im Realen anschreiben. Sie erklären, wie eine Seele, die schwingt wie die Saiten eines Musikinstruments, ihre zeitlichen Operationen ausführt und Signale in Symbole umwandelt. Und sie sind, zusammen mit den Forschungen der frühen Elektrophysiologie, ein Modell für die Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn: So wie ein mit Sand bestreuter, schwingender Körper einen Ton erzeugt und zugleich Schwingungsvorgänge aufzeichnet, so verarbeitet auch das Gehirn Signale in Symbole.

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Bernhard Siegert

Bernhard Siegert

is a media theorist and media historian. He is director of the IKKM and Gerd Bucerius Professor for History and Theory of Cultural Techniques at the Bauhaus-Universität Weimar (since 2001). He co-founded the Graduate Research Program “History of Media—Media of History” at the Universities in Weimar, Erfurt, and Jena in 2004. His main fields of research are history of cultural techniques/technologies, media history and late medieval Dutch book painting. He is currently preparing a book on the political, cultural, aesthetic, and media theoretical impact of seafaring.

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Softcover, 352 pages

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Die Psyche ist zum Inbegriff von Eigentümlichkeit und Identität des Menschen geworden, gleichwohl sie tief in neuroanatomischen Strukturen, biochemischen Prozessen und genetischen Dispositionen verankert ist und einem ständigen historischen Wandel unterliegt.

Dieser Band schreibt die Geschichte dieser permanent unruhigen Differenz als Teil einer allgemeinen Mediengeschichte: Handschrift und elektrische Schaltungen, Film und Rechenmaschinen, Literatur und Institutionen haben das Verständnis der Psyche maßgeblich geprägt. So erweist sich, dass sich die Psyche nicht von ihrer Erforschung abtrennen lässt, die dasjenige, was sie beschreibt, mit erzeugt: Es sind die Mächte der Medientechnologie, der Verwaltung und der Phantasmen, die den Anschein erwecken, dass der Mensch ein beseeltes Wesen sei.

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