Trotz Konjunktur der »Poiesis« in den letzten Jahren ist sie von der Forschung noch nicht zu einem klar konturierten Konzept entwickelt worden. Der Beitrag möchte zeigen, dass in der aristotelischen Verwendungsweise des Begriffs heuristisches Potential für das Verständnis der künstlerischen Produktion auch in der Vormoderne liegt. Es geht zunächst darum, diese konzeptuelle Dimension antiker Poiesis genauer zu bestimmen. Dazu wird mit Blick auf Theorie und Praxis der Frühen Neuzeit gefragt, ob und inwieweit sich ein poietisches Verständnis der Künste nach der Antike noch fassen lässt. Dabei sollen die beiden Facetten künstlerischen Tätig-Seins, die insbesondere, aber nicht erst seit dem 19. Jahrhundert im theoretischen Diskurs als dichotome bewertet wurden, zusammen gedacht werden: die schöpferisch-geistige Konzeption eines Werks und dessen manuelle Ausführung im Sinne eines Verständnisses des Produktionsvorgangs als eines sich in Zeitlichkeit entfaltenden Akts mit gewissem Selbstwert-Charakter.