Der »kategorische Imperativ« gehört zu den philosophischen Fachbegriffen, die bis in die Alltagssprache gelangt sind. Zwangsläufig hat er sich dadurch von seiner ursprünglichen Intention entfernt. Wissen wir wirklich mit Kant, dass sich hinter diesem Imperativ ein »moralisches Gesetz« verbirgt? Genau das stellt Jean-Luc Nancy in den hier versammelten Essays mit Bezug auf Nietzsche, Derrida und andere immer wieder in Frage. Was erkennen wir wirklich, wenn die Scheuklappen von Erkenntnistheorie und Ethik gefallen sind? »Es geht nicht um Moral. Es geht um etwas, was uns verpflichtet, was uns zu Sein-Sollenden macht: um ein Gesetz vor jedem Gesetz, das uns gesetzt ist und dem wir ausgesetzt sind.« Und wenn sich hinter diesem Vor-Gesetzten nichts anderes verbirgt als – nichts? Die Auseinandersetzung mit der Ethik Kants ist eine Facette von Nancys Philosophie, die noch wenig erkannt, doch nicht weniger wichtig für sein Denken ist, insbesondere sein Denken von Recht und Gerechtigkeit, und hinführend zu seinen Arbeiten zu Globalisierung, Freiheit, Demokratie oder Gemeinschaft.
Der Band enthält ein aktuelles Vorwort des Autors zur deutschen Ausgabe sowie das exposé-artige Vorwort zur italienischen Ausgabe.