Die Ansicht, dass ein Buch Flachware und die Buchseite ein ihrem Wesen nach flächiges Medium ist, dieses Wissen ist von der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts auf eine harte Probe gestellt worden. Die fingierte Dreidimensionalität und Tiefe, mit der die Miniaturen und Bordüren die Oberfläche der Seite auf immer radikalere Weise durchbohren, lässt sich mit dem ihr zugeschriebenen Zweck, nur Dekoration auf der Fläche zu sein, nicht mehr in Einklang bringen. Dabei ist es eigentlich kein Zufall, dass es der Raum des Buches ist, in dem das Verhältnis von Oberfläche und Jenseits von Oberfläche bereits sehr früh zu reflektiert wird. Das Buch als ein gefalteter und geschichteter Raum, der nicht nur die Operationen des Blätterns und Wendens voraussetzt, sondern ein auf haptischer Erfahrung beruhendes Wissen von der Produktivität der Beziehung von Vorder- und Rückseite, von Darauf und Darunter birgt, hat schließlich vor allem in der Darstellung von Löchern, Rissen und Öffnungen ein für das Reflektieren der eigenen Medialität besonders geeignetes Spektrum entdeckt.