Kaum ein Beweismittel ist so umstritten wie der Zeugenbeweis: Aussagepsychologische Studien belegen, wie weit die Aussagen von Zeuginnen und Zeugen mitunter von den Tatsachen abweichen. Doch es zeichnet sich keineswegs ab, dass der Zeugnisbeweis in Strafverfahren an Bedeutung verliert – im Gegenteil: Zeugnisse spielen nach wie vor eine zentrale Rolle in nationalen, aber vor allem in internationalen Strafprozessen. Insbesondere in Transitional Justice-Prozessen und im Menschenrechtsdiskurs spielt die Praxis der Zeugenschaft geradezu eine Schlüsselrolle. Der Beitrag zeigt schlaglichtartig auf, wie sich die Bedeutung von (Opfer-)Zeugenschaft vor Gericht verändert hat. Er schließt mit der These, dass Zeugenschaft sich heute in doppelter Weise als ein Schnittpunkt von Recht und Wissen erweist: Einerseits ist das Zeugnis eine Wissensquelle, aufgrund derer Recht gesprochen wird. Andererseits verkörpert der Akt des Bezeugens selbst ein Recht, nämlich das Recht eines Menschen, das eigene Wissen auszusprechen bzw. für sich selbst zu sprechen.