Der Kulturtheoretiker Homi K. Bhabha führt in seinem Text ›The Other Question‹ (1983) die Wendung der „kolonialen Ambivalenz“ ein und beschreibt sie als grundlegendes Merkmal des kolonialen Machtgefälles. Diese These nimmt sich Brigitta Kuster zum Ausgangspunkt für eine konzise Reflexion derjenigen Mechanismen des kolonialen Gefüges, innerhalb derer diese Ambivalenz konstituiert und verhandelt wird. Dabei ist es der Autorin in ihrem Beitrag darum zu tun, diese Mechanismen nicht als übermächtige und fugenlos funktionierende Abläufe darzustellen. Ihr Fokus richtet sich vielmehr auf die darin liegenden »ambivalenten Resonanzen«, die Lücken und Inkohärenzen (»Zwischenräume«) aufweisen, innerhalb deren es zur produktiven Umbesetzung der Hierarchien und stereotypen Zuschreibungen etwa über Verfahren wie die Mimikry kommen kann. Ausgehend von der Figur der Grenze, welche in sich das Trennende und Verbindende vereint, entwickelt die Autorin Überlegungen dazu, wie im Rahmen des kolonialen Diskurses das Ambivalente oder Unentschiedene ein Moment der Verweigerung gegenüber Klassifikationen bedeuten kann.